Besinnliches

Was uns hält

Gedanken zur Österlichen Bußzeit von Diakon Gerhard Josef Möller

Foto: Deckblatt des Gebetsblattes "Was uns hält" vom Deutschen Liturgischen Institut in Trier Was hält uns?

Was hält uns – in der Kirche? Im Leben?

Warum haben wir nicht auch die Nase voll wie so manche andere, die der Kirche den Rücken gekehrt haben oder denen der Glaube einfach gleichgültig geworden ist? Die mit Gott nichts mehr anfangen können? Oder die als Kinder zwar noch getauft wurden und zur Erstkommunion gegangen sind, aber weder regelmäßig beten noch an einem Gottesdienst teilnehmen, ausgenommen bei einer Beerdigung oder einer Trauung oder vielleicht an Weihnachten?

Ja, gerät nicht auch in uns so Manches ins Wanken, wenn wir heute von vielfachem sexuellem Missbrauch oder Vertuschung solcher Verbrechen hören? Oder wenn Ältere unter uns sich daran erinnern, wie noch in ihrer Kindheit und Jugend oft massiv Sünden- und Höllenängste geschürt wurden. Z.B. wenn das natürliche Interesse am anderen Geschlecht oder einer Scheibe Wurst am Freitag zur Sünde erklärt wurde.

Was hält uns, wenn wir erleben, dass es uns nicht zu gelingen scheint, etwas von unserem Glauben an die nachfolgende Generation weiterzugeben? Wenn wir selbst unter Freunden und mit Menschen, die uns nahestehen, gar nicht mehr oder kaum mehr über unseren Glauben sprechen können?

Glauben – das haben wir wohl inzwischen gelernt, hat wenig mit Wissen oder Nichtwissen zu tun. Glauben ist auch nicht ein naives Für-wahr-Halten von Dingen, die der Verstand nicht zu erfassen vermag. Glauben hat viel zu tun mit Erfahrung.

 

Da ist einer der schenkt, und einer, der das Geschenk annimmt

Mit dem Glauben ist es wie mit der Liebe. Es gibt unendlich viel über die Liebe zu sagen. Dichter und Wissenschaftler haben darüber ganze Bibliotheken gefüllt. Künstler haben sie in Bildern darzustellen versucht und Musiker haben ihr Klang gegeben. Es gibt Zeichen der Liebe, man spricht sogar von Liebesbeweisen, aber die Wirklichkeit der Liebe ist damit niemals ganz erfasst. Und schon gar nicht ist sie fassbar, sodass man sie einmal hat und dann festhalten kann.

Liebe ist eine Erfahrung, die Erfahrung einer Spannung zwischen dem eigenen Ich und einem Du. Frage und Antwort. Unsicherheit und Gewissheit. Vertrauen. Hoffnung. Freude. Und die Erfahrung von Fremdheit trotz allem, von Ferne. Immer auch Geheimnis.

Was hält uns? In der Liebe? Im Glauben? Es sind wohl die Erfahrungen. Die Erfahrung verstanden zu werden. Akzeptiert, geschätzt zu werden, so wie ich bin. Auch mit meinen Schwächen und Fehlern. Gehalten zu werden, wo sich ein Abgrund auftut.

Liebe ist immer Geschenk. Da ist einer der schenkt, und einer, der das Geschenk annimmt. Und dankbar ist. So vertieft sich die Beziehung.

Liebe ist auch Entscheidung. „In guten und in bösen Tagen“ zusammenzustehen versprechen einander Brautleute bei der Trauung. Sie wissen, dass die gemeinsame Zukunft nicht immer nur eitel Sonnenschein sein wird. Dass es Missverständnisse geben kann, dass es auch Lasten geben kann, die schwer zu ertragen sind. Liebe kann mühsam werden. Mit ihrem Ja binden sich Menschen sich selbst und den Anderen, um auch in schwierigen Zeiten auf Verlässlichkeit vertrauen zu können. Ohne Wenn und Aber.

Liebe muss gepflegt werden. Sie erfordert Zeit füreinander, den Blick für den anderen, für das was bewegt, was erbraucht, was ihm guttut. Das Gespräch, des Verstehenwollen, Geduld, Toleranz. Ertragen was nicht zu ändern ist. Aushalten. Versöhnung

 

Geschenk und Entscheidung

 

Was hält uns im Glauben?

Erfahrungen von Geborgenheit – nicht nur in Kindertagen, sondern auch als Erwachsener. Von Freude über Gottes schöne Schöpfung. Von Gewissheit, dass auch Leid nicht einfach sinnlos ist, dass es Wege gibt, die sich im Nachhinein als Fügung erweisen. Die Erfahrung, dass es besser ist, Gewalt nicht mit Gewalt zu begegnen. Dass der Blick auf Jesus, sein Wirken, sein Leben und sein Schicksal Kraft gibt. Dass es richtig ist, auf Gott zu vertrauen. Auch und gerade wenn alles durcheinander geht.

Glaube ist ein Geschenk. Meist ist er ein unaufdringliches, leises Geschenk. Ein Angebot. Das Vorbild eines gläubigen Menschen. Das gewohnte Leben mit der Kirche. Das tägliche Beten. Ein Wort, das einem im Kopf umgeht. Eine Begegnung. Es kann auch ein Ereignis sein, das einen aus der Bahn wirft, ein Schicksalsschlag.

Glaube verlangt Entscheidung. Das Nachdenken über Gott, das Abwägen von Argumenten über das, was wahr oder falsch ist. Glaube lässt sich ebenso wie der Unglaube als vernünftig begründen. Seine Wahrheit erweist sich im Vollzug. Nur wer sich auf ihn einlässt, wer sein Leben auf ihn gründet, erfährt die Freude, den Trost, die Hoffnung, aber auch die Dunkelheit, die in ihm liegt.

Glaube bedarf wie die Liebe der Pflege: Zeit, Gedanken, Worte der Heiligen Schrift, Gebet, Gottesdienst – das Hintragen dessen, was uns bewegt, vor Gott, in Worten oder wortlos im einfachen Dasein vor ihm, als das vertieft den Glauben ebenso wie ein Handeln im Alltag, das geprägt ist von dem, was Jesus gelehrt und gelebt hat.

Text: Diakon Gerhard Josef Möller

(Der Text war gedacht als Ansprache im Bußgottesdienst, der für Sonntag, 29. März, in der St. Augustinus-Kirche  geplant war. Die passenden Gebetsblätter für die Bußandacht liegen zum Wochenende an den Schriftenständen unserer Hauptkirchen St. Augustinus Dahlbruch, St. Johannes Kreuztal sowie St. Ludger und Hedwig Krombach zum Mitnehmen aus.)